Ferdinand Hodler - GENFERSEE VON CHEXBRES AUS LAKE GENEVA FROM CHEXBRES

 

Ferdinand Hodler
1853 - 1918
GENFERSEE VON CHEXBRES AUS LAKE GENEVA FROM CHEXBRES
Dieses Gemälde ist im Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft SIK-ISEA unter der Archiv-Nummer 84 246 inventarisiert.

Unten rechts signiert
Öl auf Leinwand
81 x 100 cm
Gemalt um 1904.
Die Gegend zwischen Montreux und Lausanne am Genfersee gehörte zu Ferdinand Hodlers bevorzugten Landschaftsmotiven. Als Standort wählte der Künstler häufig die 565 M.ü.M. gelegene Ortschaft Chexbres, die mit der Bahn einfach zu erreichen war und einen weiten Blick auf den See mit der Bucht von Cully und auf die Savoyer Alpen freigab. Hodler malte zwischen 1895 und 1911 mehrere Fassungen von der Ansicht, die in Farbe und Ausschnitt variieren. Mit der ersten Variante (heute Kunsthaus Zürich, Depositum der Gottfried Keller-Stiftung) hatte er 1895 den zweiten Preis am Concours Calame gewonnen. Die Beliebtheit des Sujets sowie die grossen, für repräsentative Zwecke gedachten Bildformate erklären, weshalb einige Gemälde bereits kurz nach ihrer Entstehung von privaten Sammlern und Schweizer Museen gekauft wurden. Hodler malte das vorliegende Gemälde vermutlich im Mai 1904. Seine Postkarte aus dem Hotel Bellevue an Jeanne Charles sowie sein Brief an Baron von Myrbach belegen seinen mehrtägigen Aufenthalt in Chexbres.[1] Eine Skizze zur vorliegenden Fassung findet sich zudem in einem Carnet von 1904 (Abb. 1). Das geschwungene Wolkenband unterscheidet das vorliegende Gemälde von Hodlers übrigen Genferseelandschaften. Dieses dekorative lineare Element geht auf das ornamentale Formenrepertoire des Jugendstils zurück, mit dem sich Hodler 1904 anlässlich seiner Beteiligung an der Ausstellung der Wiener Secession eingehender beschäftigte. Wie viele Künstler, die um 1900 ein Interesse für die Ornamentik entwickelten, strebte Hodler in dieser Darstellung nach einer dekorativen Gestaltung des Motivs, die er im Verzicht auf tiefenräumliche und plastische Wirkung sowie durch die Belebung der Fläche mittels Farbkontrasten und einer dynamischen Linienführung zum Ausdruck brachte. Flächigkeit und rhythmisierende Linien gehören wie die Symmetrie zu den grundlegenden ornamentalen Prinzipien, mit denen der Künstler ein Gefühl von Einheit zu vermitteln suchte. Hier schliessen das Wolkenband und sein Spiegelbild die Seefläche und Himmelszone zu einer formalen Einheit zusammen. Hans Trog kam in seiner Besprechung der Ausstellung im Künstlerhaus Zürich auf die dekorative Wirkung zu sprechen: «Auch hier verwertet der Künstler eine Wolkenspiegelung in ungemein interessanter Weise, die wie in einem breiten Schnörkel über den Himmel sich legende weisse Wolke, schliesst mit ihrem Spiegelbild den Naturausschnitt, den Ausblick auf See und fernes Ufer, man möchte sagen dekorativ zusammen (...)».[2] Die segmentbogenförmige Uferlinie und das Wolkenband formen ein seitlich geöffnetes Oval, das zusammen mit den grosszügig angelegten blauen Flächen Weiträumigkeit evoziert. Laut Hodler vermag das Blau des Himmels den Eindruck einer räumlichen Ausdehnung zu erzeugen, die auf den Betrachter ergreifend wirke.[3] Sein Umgang mit der Farbe stellt gegenüber den früheren Versionen eine Besonderheit dar. In dieser Darstellung überwand Hodler seinen Grundsatz, welcher der Form gegenüber der Farbe den Vorrang gegeben hatte. Form und Farbe waren in den späteren Landschaften zu gleichwertigen bildnerischen Mitteln geworden. Hans Bloesch griff diese gestalterische Entwicklung in seiner Besprechung der im Zürcher Künstlerhaus präsentierten Ausstellung vom Oktober/November 1904 auf: «Wasser und Luft sind von einer seltenen Feinheit und Durchsichtigkeit, von allem Materiellen frei; die Farbe hat ein seltsames Eigenleben gewonnen».[4] Eine nahezu identische Fassung des vorliegenden Gemäldes wird im Musée d'art et d'histoire in Genf aufbewahrt (Abb. 2). Gegenüber dieser eher summarischen Darstellung ist der Duktus des Bildes aus Privatbesitz freier und skizzenreicher ausgeführt, weshalb es sich um die erste der beiden Fassungen handeln dürfte.[5] Diese erste Fassung war 1917 bei Cassirer und Helbing in Berlin ausgestellt und gehörte dem Kunstsammler und Mitbegründer des Insel-Verlages, Alfred Walter Heymel.
Wir danken Dr. Monika Brunner des Schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaft SIK-ISEA für den Textbeitrag.
[1] Ferdinand Hodler aus Chexbres an Jeanne Charles in Genf, 9.5.1904, Bundesamt für Kultur, Archiv Erben Jeanne Charles; Ferdinand Hodler aus Chexbres an Baron von Myrbach in Wien, 15.5.1904, Künstlerarchiv der Österreichischen Galerie Belvedere, Nachlass Hans Ankwicz-Kleehoven.
[2] Hans Trog, «Aus dem Künstlerhaus, H», in: Neue Zürcher Zeitung, 14.10.1904, Beilage zu Nr. 286, S. 1.
[3] Carl Albert Loosli, Ferdinand HodlerLeben, Werk und Nachlass, Bern: Suter, 1921–1924, 4 Bde., Bd. 2, S. 67.
[4] H[ans] B[loesch], «Kunstausstellung in Zürich (Schluss)», in: Fremdenblatt für Bern und Umgebung, 15 (1904), Nr. 34, S. 267.
[5] Kunsttechnologischer Befund durch SIK-ISEA vom Januar 2005.

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